Die Verbindung der Städte Zile und Schwetzingen

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Heute erscheint ein Beitrag, der sich mit den Verbindungen der Städte Zile (Türkei) und Schwetzingen auseinandersetzt. Wir hoffen, die türkischstämmigen Mitbürger*innen Schwetzingens damit erreichen zu können! Wir würden uns freuen, wenn Sie Ihre Geschichte mit uns teilen!

Bugün Zile (Türkiye) ve Schwetzingen arasındaki bağlantıları ele alan bir makale yayınlandı. Zile ile bağlantılı Türk kökenli vatandaşlarına ulaşmayı umuyoruz! Hikayenizi bizimle paylaşırsanız mutlu oluruz!

Fabienne Bitz

Ein Beitrag von Fabienne Bitz

Die Verbindungen der Städte Zile und Schwetzingen

Abbildung: Screenshot der Karte der Türkei mit einer Markierung von Zile. via Google Maps [1]

Zile ist die fünft größte Kreisstadt in der Provinz Tokat und befindet sich sehr zentral in der Türkei. Heute wohnen 54.368 Menschen in dieser Stadt. In Schwetzingen wohnen derzeit etwa 21.644 Menschen. Doch was verbindet diese beiden Städte? In der Hochkonjunkturphase der 1960er Jahre musste die deutsche Wirtschaft zunehmend auf ausländische Arbeitskräfte zurückgreifen, um den Bedarf an Arbeitskräften in den stark expandierenden Fabriken zu decken. Einige dieser Arbeitsmigranten kamen damals von Zile nach Schwetzingen und leben bis heute hier. Wir wollen in diesem Artikel die Reise dieser Arbeitsmigranten nachverfolgen.

Vermittlung der „Gastarbeiter“

Die Anwerbung türkischer Arbeitskräfte erfolgte nach der Vereinbarung mit der Türkei 1961 und wurde durch die „Deutsche Kommission“ oder die „Deutsche Verbindungsstelle“ durchgeführt.[2] Entschied sich ein Türke für die „Gastarbeit“ in Deutschland, musste er sich erst einer ärztlichen Untersuchung unterziehen.[3] Dann durfte der „Bewerber“ je nach Arbeitslage seine zukünftige Arbeitsstelle auswählen. Dieser Prozess gestaltete sich jedoch sehr intransparent für den Arbeiter, wusste er nur, wo und in welcher Tätigkeit er beschäftigt sein würde. Daraufhin folgte die Vermittlung der Gastarbeiter über die Kommission direkt an die Firma und ein Anstellungsvertrag wurde dieser zugesandt.[4] Ein solcher Vertrag verpflichtete den „Gastarbeiter“ dazu, ein Jahr in der ausgewählten Firma bei Mindestlohn und einer Unterbringung vor Ort zu arbeiten.[5]

Ankunft am zukünftigem Arbeitsplatz in Schwetzingen – Bassermann und das Eisenbahn-Ausbesserungswerk

Die Reise aus der Türkei traten die Arbeitsmigranten mit dem Zug an und führen von Istanbul nach München und dann weiter nach Schwetzingen. Bei der Einreise nach Deutschland wurde genau dokumentiert, welche Habseligkeiten der Arbeitsmigrant mitbrachte.[6] Einmal angekommen sah der „Gastarbeiter“, dass er im Gegensatz zu Einheimischen unter schlechteren Bedingungen weniger verdiente. Durch den unterzeichneten Vertrag hatte er sich jedoch dazu verpflichtet, mindestens ein Jahr bei der Firma in Anstellung zu bleiben. Trotz dieser Verpflichtung begingen einige Vertragsbruch und kehrten früher in die Heimat zurück.[7] Was diesem Prozess entgegenwirkte, war die Vermittlung namentlich angeforderter „Gastarbeiter“.[8] Auf diesem Weg engagierten die Unternehmen Verwandte und Bekannte der Angestellten, wodurch sich die Industriebetriebe kürzere Einarbeitungszeiten und eine erleichterte Anpassung im Werk selbst versprachen. So entstanden in einzelnen Industriebetrieben große Gruppierungen verschiedener Landsmannschaften.[9]

Bassermann

Auch die Firma Bassermann beschäftigte einige Arbeitsmigranten, jedoch ist heute nicht mehr rekonstruierbar, wie viele genau. 1961 gab die Firma bekannt, dass sie aufgrund von wachsenden Produktionskapazitäten und der Hochkonjunktur im Folgejahr auf ausländische Arbeitskräfte zurückgreifen möchte und gab dies an den Gemeinderat weiter.[10] Dabei wollte das Unternehmen sogar zunächst Ehepaare anstellen, um „Familien nicht auseinanderzureißen […].“[11] Die Sorge der Stadt bezüglich der Unterbringung dieser Arbeitskräfte wurde im Folgejahr mit dem Bau eines Wohnheims für griechische „Gastarbeiterinnen“ gelöst.[12] Da hierbei aber nur von griechischen Arbeiterinnen die Rede war, bleibt die Frage, was aus dem Plan der Firma, Ehepaare einzustellen, geworden ist. Gesichert ist jedoch, dass im Werk bis zu dessen Schließung 1986 durchaus „Gastarbeiter“ beschäftigt waren.

Eisenbahn-Ausbesserungswerk Schwetzingen

Das Ausbesserungswerk erweiterte seine Belegschaft ebenfalls durch ausländische Arbeitskräfte, zu größten Teilen waren es italienische, jugoslawische und türkische „Gastarbeiter“. Nähere Zahlen und Informationen zu den „Gastarbeitern“ sind nicht bekannt. Aus einem Artikel der Schwetzinger Zeitung geht jedoch hervor, dass 1966 im Gesamtgebiet der Bundesbahndirektion Karlsruhe rund 1.100 Ausländer angestellt waren. Außerdem sind die Pläne der Wohnanlagen für Gastarbeiter erhalten. In den Wohnräumen für 30 Personen konnten die Arbeiter nach Feierabend zur Ruhe kommen und am nächsten Tag durch die Nähe zur Arbeitsstätte früh den Dienst beginnen. Erhalten sind zudem Formulare, welche die Arbeiter für ihre Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis ausfüllen mussten: Anmeldung bei der polizeilichen Meldebehörde, Lohnstammkarte/Lohnprüfkarte, Antrag auf Ausstellung einer Ersatzkarte für ausländische Arbeitskräfte, Arbeiter-Urlaubskarte, Personalienbogen für Arbeiter, Anerkenntnis über den Abschluß des Arbeitsvertrages.[13]

Ausländerkinder an Schwetzinger Schulen

Auch wenn in der frühen Zeit der Arbeitsmigration Einzelpersonen nach Deutschland einreisten, entschieden sich immer mehr Personen dazu hierzubleiben und ihre Familien nachzuholen. Damit stieg die Zahl an schulpflichtigen ausländischen Kindern. „Weit über 100 Gastarbeiterkinder „verstärken“ die Klassen unserer Schulen“[14] lautete eine Schlagzeile der Schwetzinger Zeitung 1974. Die Konsequenz für die Stadt hieß: Integration und Anpassung der Neuzugänge, ohne eine kontraproduktive Separierung in „Ausländerklassen“[15]. In den Schulen selbst durfte Muttersprachen-­Unterricht für die ausländischen Kinder in deren Heimatssprache stattfinden.[16] Vor allem die griechischen Staatsangehörigen machten von diesem Angebot rege Gebrauch. Aber auch das türkische und das kroatische Konsulat baten die Nordstadt- Grundschule um Klassenzimmer für Zusatzunterricht.[17]

Integration in das lokale Leben

Im Stadtarchiv Schwetzingen konnten Informationen zu einem Verein für türkische Arbeitnehmer und einer türkischen Frauengruppe gesichtet werden. Der „Türkische Kulturverein e.V.“ wurde am 12. Dezember 1976 gegründet und bis 1986 geführt. Inhaltlich beschäftigte sich der Verein damit, dessen Mitglieder in Deutschland zu integrieren und gleichzeitig die heimatliche Kultur zu pflegen.[18]

Die türkische Frauengruppe traf sich seit Januar 1983 vierzehntätig dienstags in den Räumen des Deutschen Roten Kreuzes  in der Maximilianstraße 5, Schwetzingen.[19] Dabei hatten die Frauen nicht nur die Möglichkeit, sich untereinander über ihre Situation in Deutschland auszutauschen, sondern es konnte gleichzeitig auch eine Betreuung der Kinder stattfinden.

Ausblick auf heute

Bis heute leben rund 624 Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft in Schwetzingen.[20] Bisher wurde ihre Geschichte in der Stadt jedoch nicht aufgearbeitet, wobei sie das Gesicht Schwetzingens bereits seit Jahrzehnten mitprägen. Daher ist es uns ein Anliegen, ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Geschichte selbst mit aufzuarbeiten und weiterzugeben. Damit die ehemaligen „Gastarbeiter“ und ihre Familien ihr Leben als Teil des lokalen Stadtgeschehens empfinden können.

Biz sizin hikayenizi sizden öğrenmek isteriz!

Quellen

Stadtarchiv Schwetzingen A2/440, A4/413, A5/429, ERW 262.

Schwetzinger Zeitung.

Literatur

Born, Siegfried: Das Eisenbahn-Ausbesserungswerk Schwetzingen (Schriftenreihe des Stadtarchivs Schwetzingen, Bd. 32). Schwetzingen 1996.

Caestecker, Frank/Vanhaute, Eric: Zuwanderung von Arbeitskräften in die Industriestaaten Westeuropas, in: Das „Gastarbeiter“-System. Arbeitsmigration und ihre Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa, hrsg. v. Jochen Oltmer, Axel Kreienbrink und Carlos Sanz Díaz (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Bd. 104). München 2015, S. 39-52.

McRae, Verena: Die Gastarbeiter. Daten, Fakten, Probleme (Beck‘sche Reihe, Bd. 225). München 1980.


[1] Google Maps, [online] unter dem Hyperlink [06.03.2021].

[2] Vgl. McRae, Verena: Die Gastarbeiter. Daten, Fakten, Probleme (Beck‘sche Reihe, Bd. 225). München 1980. S. 11.

[3] Vgl. ebd., S. 13.

[4] Vgl. ebd., S. 14.

[5] Vgl. ebd.

[6] Vgl. Born, Siegfried: Das Eisenbahn-Ausbesserungswerk Schwetzingen (Schriftenreihe des Stadtarchivs Schwetzingen, Bd. 32), Schwetzingen 1996. S. 53.

[7] Vgl. McRae, Gastarbeiter. S. 14.

[8] Vgl. ebd., S. 15.

[9] Vgl. ebd.

[10] Vgl. Schwetzinger Zeitung, 46.  Jg., 21. Oktober 1961.

[11] Vgl. ebd.

[12] Vgl. ebd. 47. Jg., 3. November 1962.

[13] Vgl. Stadtarchiv Schwetzingen ERW 262.

[14] Vgl. Schwetzinger Zeitung, 46. Jg., 16. Februar 1974,

[15] Vgl. ebd.

[16] Vgl. Stadtarchiv Schwetzingen A5/429.

[17] Vgl. ebd.

[18] Vgl. Stadtarchiv Schwetzingen A4/413.

[19] Vgl. ebd.

[20] City Population. Population Statistics for Countries, Administrative Divisions, Cities, Urban Areas and Agglomerations – Interactive Maps and Charts: Schwetzingen, [online] unter dem Hyperlink [16.03.2020].

Die Verbindung der Städte Zile und Schwetzingen

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